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Mittwoch, 9. April 2014

Personalkarussell

Hannover besiegt, Schalke bekämpft und allen gezeigt: Werder kann auch Fußball! Wenn es in dieser Saison Punkte für grün-weiß gab, dann wurden die meistens erkämpft. Gegen Hannover wurde dann tatsächlich feiner Fußball angeboten und auch gegen Schalke erspielte sich der SVW beinahe drei Punkte. Lediglich die Chancenverwertung bleibt zu bemängeln. Spielberichte zu den Kicks habt ihr sicherlich schon gelesen, deshalb gibt es hier nur ein leises "Tschüß" und ganz viel Wehmut, denn das Personalkarussell dreht schon wieder durch.

Spieler kommen, Spieler gehen. So war es gerade bei Werder immer und so wird es auch immer bleiben. In der Funktion als Sprungbrett konnte man sich nach Verkäufen von Diego, Klose, Ismael oder Özil in den letzten Jahren immer kräftig auf die Schulter klopfen. Da war Werder noch ein Verein, der kleine ganz groß machte und sie zu (inter-)nationalen Größen werden ließ.  
Mittlerweile springen die Spieler eher aus Verzweiflung ab, weil Gehälter gekürzt werden (müssen) oder sie einfach keine Lust mehr auf Abstiegskampf mit Bremen haben. Wenn wie mit Arnautovic einfach irgendein Werderspieler geht, dann kann man das sicherlich verkraften. In diesem Fall sowohl sportlich, als auch menschlich.
Mit Hunt und Mielitz verlassen nach dieser Saison leider ganz andere Kaliber den SVW. Das sind nicht irgendwelche Spieler, die mal kurz da waren, Mon Mon gesagt und ihre Gehälter einkassiert haben. Die zwei tragen, um Burning Bush zu zitieren, "ne ganze Menge Werder-DNA" in sich. Und die geht nun verloren.

Die Akte Mielitz

Wenn du als Abwehrspieler einen Fehler machst, dann ist das schnell vergessen. Vielleicht bekommt der Fernsehzuschauer den Bock noch in zwei oder drei Zeitlupen ausführlich präsentiert, doch mit dem nächsten gewonnen Kopfballduell gegen den 2cm größeren Angreifer ist alles wieder vergessen.
Anders ist das beim Torwart. Torwartfehler im Fußball sind für die Spielberichterstattung so ziemlich das, was die weggekauten Dschungelcamp-Hoden für "Die 25 ekelhaftesten TV-Momente" sind. Man hat eigentlich Mitleid mit demjenigen, der den Mist ausbaden muss, zeigt es aber dennoch aus 24 verschiedenen Winkeln. In Zeitlupe, Super-Zeitlupe, Nahaufnahme, mit Glitzer-Effekten und und und. Verliert das Team, dann verliert es wegen des einen Fehlers. Gewinnt es, gewinnt es trotz des dicken Patzers. Da kannst du vorher oder nachher auch 17 "Unhaltbare" halten, der Fehler bleibt unvergessen. War bei Wiese in Turin so, war bei Kahn im WM-Finale so. Wobei ich Mielitz hier keineswegs mit Olli Kahn vergleichen will. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass Miele keine Obergraupe war. Kein Fliegenfänger, der, so er denn mal einen gehalten hat, eigentlich nur angeschossen wurde. Nein, Mielitz war und ist ein bundesligatauglicher Torwart, der hinter einer stärkeren Abwehr vielleicht nicht degradiert worden wäre.
Jahrelang war er die stille Nummer zwei. Er hat sich über diese Rolle nie öffentlich beschwert, wie man es von anderen Torhütern kennt. Er hat seinen Job als Feuerwehrmann hinter Tim Wiese sehr gut gemeistert und wurde zu Recht zur Nummer eins erkoren, als der große Tim nach Hoffenheim ging, um endlich wieder international zu spielen und Titel einzuheimsen. Er hat seine Fehler stets eingeräumt, hat an sich gearbeitet und war immer mit viel Herzblut bei der Sache. Er ist kein lauter Typ, der sich nach Niederlagen vor die Kameras stellt und über Abwehrprobleme klagt. Er ist zwar auch keiner, der mal eben 'nen flotten Spruch nach Hamburg schickt und dann drei Elfmeter pariert. Aber er ist ein Stück Werder Bremen. Ein Typ, der sich mit dem Verein identifiziert hat und mit dem ich mich als Fan identifizieren kann. Miele hat meine volle Sympathie gewonnen und ich drücke ihm die Daumen, dass er auch bloß den für ihn richtigen Verein findet. Danke Sebastian und alles Gute.

9 Jahre lang war Miele beim SV Werder. Für Aaron Hunt sind es nach dieser Saison bereits 13 Jahre. 14 oder 15 werden es nicht, denn auch er wird den Verein nach dieser Spielzeit verlassen. Es soll Leute geben, die freuen sich über seinen Abgang. Die ständigen Formschwankungen, der ewige Poker um eine eventuelle Vertragsverlängerung und seine Dauerrolle als "Fremdkörper in der Mannschaft" (was für ein Schwachsinn) machten ihn für viele zum Kratzerchen in der "alles gut beim SVW"-Brille.

Pfiffe bei seiner Auswechslung, Beleidigungen nach dem ersten Fehlpass - der Mann hatte es wahrlich nicht leicht. Der Süddeutschen Zeitung sagte er in einem Interview, dass er all den Unmut natürlich mitbekommt. "Überhören kann man das nicht". Der Mensch Aaron Hunt hatte an den Pöbelein gegen den Fußballer Hunt sichtlich zu knabbern. Infolgedessen konnte man in der Vergangenheit nicht gerade davon sprechen, dass Hunt übermäßig viel Selbstvertrauen versprühen würde. Wie auch?
Glücklicherweise konnte er sich fangen. Fand nach zahlreichen Verletzungen immer wieder seinen Platz im Team und blieb dem SV Werder treu. Immer. Während Naldo, Mertesacker, Wiese, Pizarro, Özil und einige andere Werder-Größen den Verein verließen, blieb Hunt an der Weser. Er übernahm Verantwortung und stand für seinen Verein gerade.
Als Werder die Teilnahme an Titelkämpfen vor nicht allzu langer Zeit quittierte und nur noch wenig vom alten Glanz geblieben war, übernahm Hunt sogar die Stellvertretung in Sachen Mannschaftsführung. Er ist zu einem wichtigen Pfeiler des SV Werder geworden. Und er hat Durchhaltevermögen bewiesen. Denn anders als so mancher Fan, ging Aaron Hunt den Weg von ganz oben bis fast nach ganz unten mit, ohne großartig rumzumurren. Er hätte sich als Nationalspieler sicherlich auch vom Acker machen können. Dann hätte er seinen Koffer gepackt, ein paar Hände geschüttelt und wäre weg gewesen. Aber das hat er nicht getan. Damit Werder in der Bundesliga bleibt und er seinen Teil dazu beitragen kann. In der nächsten Saison muss es dann ohne ihn weitergehen. Ich hoffe, dass Werder den Abgang von Aaron Hunt verkraften kann. Für mich ist es einer der schmerzhaftesten in den letzten Jahren. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass es mit Herz UND Hunt besser geht, als nur mit dem Herzen.

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